*Ein wildes Mandala. Erschaffen von der Gruppe, ganz ohne miteinander zu reden.

Themen

Die Natur und Wildnis

In der Natur und dem Wald zu sein wirkt sich positiv auf die Gesundheit des Menschen aus (vgl. Wohlleben 2015, 198). Was auf wissenschaftlicher Ebene immer mehr erforscht und belegt wird, ist vermutlich jedem auch ohne das Lesen einer Studie bereits bewusst.

Die Wildnis, wie sie aus Büchern, Filmen oder Reisen in ferne Länder bekannt ist, gibt es in Deutschland jedoch in dieser Form nicht mehr. Hier wird von der sogenannten Kulturlandschaft gesprochen, also einer durch Menschenhand geformten und bewirtschafteten Natur.

Nach der Auffassung von WildnisMotorik, ist die Wildnis aber noch da: "Sie ist nämlich genau vor dir, du musst dich nur bücken, auf alle Viere, die Nase im Dreck und danach suchen!"

Es ist der Busch im Garten, die urbane grüne Ecke im Hinterhof, der Grünstreifen zwischen zwei Feldern, die Pfütze im Schlagloch, der Totholzhaufen am Wegesrand, der Heckenstreifen am Schulhof und noch vieles mehr. Die Natur und die Wildnis wollen entdeckt und erforscht werden. Die ganze Vielfalt dessen, was die Natur bietet, kann nicht in einem pädagogischen Angebot abgehandelt werden. Es ist vielmehr ein Ansatz, sozusagen wie ein Fenster aufzustoßen, heraus zu zeigen und zu sagen, wo es hingehen könnte.


Pflanzenkunde, Tier- und Spurenkunde, Wissen über Tier- und Vogelsprache, über das Revierverhalten und Jahreszeiten, das Schnitzen, zum Feuer machen und andere Fähigkeiten. All das können Natur- und Wildnisthemen einer Stunde des Angebotes Wildnispädagogik und Psychomotorik in der Natur sein.


Die Bewegung und Motorik

"Die spielen ja nur..." (vgl. Zimmer 2012, 13) wäre eine sehr konkrete und auch anteilig korrekte Beobachtung einer Stunde von WildnisMotorik. Das Spiel ist der Motor für die kindliche Entwicklung, also kann jedes Spiel auch als entwicklungsfördernd gesehen werden.

Hierbei eine professionelle Haltung einzunehmen und das Spiel fördernd zu begleiten, kann aus dem "nur spielen" ein qualitativ hochwertiges Angebot machen. Gleichzeitig wird dem Kind auf vielen Ebenen der Entwicklung individuell begegnet und es wird dort abgeholt, wo es steht (vgl. ebd.).

Dies ermöglicht den Aufbau einer professionellen Beziehung und dem unbemerkten Einfließenlassen von Lerninhalten über die Natur und die Wildnis.


Die Sinne, Gefühle und Wahrnehmung

Schmecken, hören, riechen, sehen und tasten. Diese Gesamtheit unserer menschlichen Sinne brauchten "Jäger und Sammler" in der Steinzeit zum Überleben. Wenn wir uns in der Natur bewegen, aktivieren sich all diese Sinne automatisch.

Durch die gezielte Förderung und den Einsatz von Methoden aus Wildnispädagogik (z.B. Räuchern) und Psychomotorik (z.B. Tastkisten) werden die Sinnesorgane der Teilnehmenden aktiviert. In dem „Neuronenfeuerwerk", welches durch die Bewegung in der Natur im Gehirn bei neuen und prägenden Erfahrungen stattfindet, erfahren die Teilnehmenden eine ganzheitliche Förderung.


Die Gruppe und Gemeinschaft

Die soziale Gruppe gewinnt für Menschen im Laufe ihrer Entwicklung immer mehr an Bedeutung. Insbesondere Teenager*Innen und Jugendliche identifizieren sich durch und mit ihrer sogenannten Gruppe von Gleichaltrigen (Peergroup). Deswegen ist die Zusammensetzung von gleichaltrigen und gleichgeschlechtlichen oder gemischten/transidentitären Gruppen immer ein individueller Prozess, der für WildnisMotorik nicht willkürlich geschieht und eine hohe Bedeutung hat.


In der archaischen Stammeskultur war die soziale Gemeinschaft das höchste Gut. Denn ohne die Gemeinschaft war ein Überleben in der Wildnis auf Dauer nicht möglich. Heute hat sich der Begriff oder das Verständnis von Gemeinschaft teilweise gewandelt. WildnisMotorik möchte spielerisch, durch das Erzählen von Geschichten, das Einführen von Ritualen und das Stellen von Aufgaben und Herausforderungen wieder an das ursprüngliche Stammesverständnis von Gemeinschaft anknüpfen, um damit z.B. Sozialkompetenzen zu fördern.


Das Lernen und Üben

Alles Tun ist Üben und alles Üben ist gleichzeitig Lernen. Bei aller Notwendigkeit, Bedeutsamkeit und Qualität der Arbeit von Regelschulen, hat Lernen und Üben dort manchmal eine andere Bedeutung, als in der Wildnispädagogik. Für Kinder wird Lernen häufig unweigerlich an Bewertung geknüpft. Für spätere berufliche Perspektiven mag dies einige Vorteile haben. Eine innere Freude am Lernen wird dadurch jedoch nicht in allen Fällen vermittelt.

In der Wildnispädagogik steht hinter allem Lernen und Üben eine Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit hat ihren Ursprung in dem Überleben des Menschen in der Natur. Deswegen Stellen Wildnispädagogen*Innen häufig die Frage:


"Was treibt dich an? Was ist deine Notwendigkeit? Was ist dein Benzin, um Raus in die Natur zu gehen" (Wever, 2019)


Durch Fragen, Tricksen, Humor, Geheimnisse, Spannung und Spiel möchte WildnisMotorik eine Lernmotivation und einen Forscherdrang fördern, der auch jenseits von schulischem Lernen für Kinder und Jugendliche einen Sinn ergibt.

Teilnehmende sollen ihren eigenen Treibstoff für das selbstständige Lernen und Forschen herausfinden, mit nach Hause und in die Schule nehmen und davon nachhaltig profitieren.

Ziele

Förderung Achtsamkeit und nachhaltigem Denken

Eine Definition von Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft, demnach darf nicht mehr Holz gefällt werden, als auch tatsächlich nachwachsen kann. In der Wildnispädagogik möchten wir, dass Teilnehmende Prozesse in der Natur verstehen und dadurch ihr eigenes Handeln überdenken und anpassen.


Achtsamkeit wird unter anderem als ein Zustand erhöhter Aufmerksamkeit der Wahrnehmung und Sinne beschrieben. Durch spielerische, ritualisierte und die Wahrnehmung reizende Elemente möchte WildnisMotorik Menschen wieder häufiger in solche Zustände erhöhter Aufmerksamkeit in der Natur versetzen.


Für WildnisMotorik ist das Ziel erreicht, wenn Teilnehmende z.B. folgende Sätze verinnerlichen:


"Ich habe ein Bewusstsein für den Wert der Natur entwickelt"

"Ich weiß, dort wo viel wächst, nehme ich nur ganz wenig"

"Ich bin ein Gast in der Wildnis, dem Wohnzimmer der Tiere."

"Heute habe ich eine Ameise dabei beobachtet, wie sie über meine Hand krabbelt"

"Ich konnte beim Verstecken das Rauschen der Blätter hören"

"Ich bin einer Tierspur gefolgt, bis ich sie verloren habe"



Förderung von Sozialkompetenzen

Kinder und Jugendliche bewegen sich zunehmend in Institutionen und Gruppenkontexten. Dort Fuß zu fassen, anerkannt und akzeptiert zu werden, stellt für manche eine Herausforderung dar.

In der Wildnispädagogik und Psychomotorik ist die Gruppe ein elementarer Bestandteil der Förderung. Die Gruppe ist der gewohnte Lebens- und Handlungsraum von Kindern und Jugendlichen. Werden hier erfolgreich gemeinsame Herausforderungen bewältigt, stärkt das nicht nur den Zusammenhalt, sondern befähigt auch dazu, gewonnene Erfahrungen in andere Kontexte und den Alltag zu übertragen.


Für WildnisMotorik ist das Ziel erreicht, wenn Teilnehmende z.B. folgende Sätze verinnerlichen:


"Ich komme mit anderen in der Gruppe klar, auch wenn ich nicht alle gleich mögen muss."

"Ich kann Konflikte lösen und eine andere Meinung akzeptieren."

"Ich schätze den Wert der Gruppe und bin auch als Teil der Gemeinschaft wichtig."

"Wenn ich Streit habe, weiß ich was ich tun kann, damit es mir und anderen besser geht."

"Ich muss gar nicht andere ärgern, um mitzuspielen."

"Ich habe eine Aufgabe in der Gruppe und ohne mich funktioniert die Gruppe nicht mehr so richtig."

"In der Gruppe habe ich Freunde gefunden."



Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Sinnesförderung

Die Teilnehmenden können durch bewegte Erfahrungen in natürlicher Umgebung ganzheitlich und quasi ganz nebenbei gefördert werden. Die Bewegung wird spielerisch angeregt. Durch den Geruch von nassem Laub, der so intensiv ist, dass er schon zu schmecken ist, das Kitzeln eines Blattes auf der Wange, den Alarmruf einer Amsel, das frische Blattgrün im Sonnenlicht, kommt eine Reiz- und Sinnesvielfalt geballt zusammen.

Spannenderweise überfordern diese Wahrnehmungen unser Gehirn nicht im Sinne einer Reizüberflutung, wie es in anderen Umgebungen - wie z.B. der Stadt - der Fall ist. Unsere Sinne werden geschärft, beginnen zu selektieren und die Fühler auszustrecken. Teilnehmende können diese geballten Erfahrungen in den Reflektionsrunden für sich als eine konstruktive Lösungsstrategie z.B. zur Bewältigung von Stress erarbeiten. Die Verbesserung der einzelnen Sinnesaktivitäten ist dabei eher ein zweitrangiges Ziel.


Für WildnisMotorik ist das Ziel erreicht, wenn Teilnehmende z.B. folgende Sätze verinnerlichen:


"Ich kann schleichen wie ein Luchs, hören wie ein Hase, sehen wie ein Bussard, riechen wie ein Reh und schmecken wie eine Schlange."

"Ich kenne verschiedene Tierspuren und kann sie unterscheiden."

"Ich weiß, wie ich mich auf meine Umgebung konzentrieren kann."

"Ich kann mich sehr gut verstecken und tarnen."

"Ich kann auf mein Bauchgefühl vertrauen und brauche vor Unbekanntem keine Angst zu haben."

"Ich liebe diesen Geruch vom Räuchern, Baumharz und von nassem Laub."



Erwerb von handwerklichen Kompetenzen

Das "Wildnishandwerk" ist ganz eng mit dem oben beschriebenen Erleben von Selbstwirksamkeit verknüpft. Die Teilnehmenden lernen neue Techniken, neues Wissen und dadurch eine Motivation sich mit Unbekanntem auseinanderzusetzen. Die Teilnehmenden erschaffen z.B. einen Behälter aus der Herkulesstaude und fragen sich:


"Was ist das überhaupt?"

"Wo finde ich die?"

"Ist die nicht eigentlich giftig?"

"Wie kann ich Harzkleber herstellen und einen Deckel schnitzen?"

"Welches Holz ist gut für einen Deckel?"


Diese Fragen entstehen im und durch das Tun. Handlungsbezogene Fragen wecken ein tief gehendes Interesse und können dazu führen, dass die Teilnehmenden sich wirklich von innen heraus mit Themen aus der Natur beschäftigen wollen.


Für WildnisMotorik ist das Ziel erreicht, wenn Teilnehmende z.B. folgende Sätze verinnerlichen:


"Ich kann mit dem Schnitzmesser sowie der Klapp- und Feinsäge umgehen ohne mich und andere zu verletzen."

"Ich weiß, wie man Harzkleber herstellt."

"Ich kann einen Pilz aus totem Holz schnitzen."

"Ich kann anderen zeigen und beibringen, was ich gelernt habe."

"Ich weiß, wo was wächst und was ich daraus machen kann."



Erleben von Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit

Selbstwirksamkeit ist das Erleben der Teilnehmenden, wenn sie davon überzeugt sind und sich dazu fähig fühlen, in einer alltäglichen Situation die Kontrolle zu haben.

Im Alltag wird häufig das Gegenteil erlebt, da die Welt der Kinder notwendiger Weise durch Erwachsene strukturiert wird. Kinder erleben Selbstwirksamkeit häufig in spielerischen Situationen, Jugendliche hingegen durch soziale Interaktion in Ihrer Peergroup oder dem Sport. Erwachsene haben sich häufig ihre Lebensbereiche ausgewählt, in denen Sie Selbstwirksamkeit erfahren.

In den Angeboten von WildnisMotorik werden vielfältige Situationen gestaltet, in denen die Teilnehmenden Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit erfahren können. Ein Beispiel ist der Umgang mit dem scharfen Schnitzmesser, das einen Stock in zwei Teile schneidet. Kinder erhalten hier Anerkennung alleine schon für das Vertrauen, dass die Anleiter in sie setzen, kontrolliert mit dem Messer umzugehen. Jugendliche können z.B. vor anderen ihr handwerkliches Geschick beweisen und Erwachsene können sich an schwierigen Techniken und theoretischem Messerwissen erproben.


Für WildnisMotorik ist das Ziel erreicht, wenn Teilnehmende z.B. folgende Sätze verinnerlichen:


"Ich weiß, wo ich mir Hilfe holen kann."

"Ich kann das alleine!"

"Ich brauche hierbei deine Hilfe, aber danach nicht mehr!"

"Ich kann das schaffen und das ist ein schönes Gefühl."

"Ich weiß, was ich kann und habe vertrauen in mich."

"Ich habe mich geschnitten. Beim nächsten Mal passe ich besser auf"

"Messer sind cool. Ich wollte schon immer mal schnitzen"

"Als Kind habe ich auch immer geschnitzt. Jetzt komme ich vielleicht wieder darauf zurück"


WildnisMotorik nutzt in der Regel keine heilpädagogischen Förderpläne mit konkreten Zielformulierungen für Förderprozesse. Die Ziele sollen durch und mit den Teilnehmenden in jeder Stunde neu erarbeitet werden.

Wenn jedoch ein konkreter Bedarf besteht und die Arbeit ins Familiensystem übergreift, kann in Einzelfällen über eine konkrete heilpädagogische Einzelförderung mit Prozessplanung, Durchführung und Evaluation eingeleitet werden.